HE WHO MUST NOT BE TAMED
Jeder kennt Udo Kier. Wenn nicht dem Namen nach, dann vom Gesicht her. Seit fünfzig Jahren veredelt der Kölner Kosmopolit die Leinwände der Welt: Dass er ausgerechnet im Umbruchsjahr 1968 in Eddy Sallers famosem Sleaze-Krimi SCHAMLOS seine erste Hauptrolle spielte, war vielleicht Zufall. Eher aber nicht. Die Welt suchte damals nach alternativer Männlichkeit, nach Gegenpositionen zum hypermaskulinen Alphatier und entdeckte Udo Kier. Stechend blaue Augen, hohe Wangenknochen, alles umweht von einem Hauch von Androgynität. Die stolze Künstlichkeit und verwegene Exzentrik seines Spiels und seiner Figuren inspirierte dutzende Filmemacher_innen.
Wie wenige andere surfte Kier in den folgenden Jahrzehnten zwischen Exploitation-Arena und Autorenfilm herum, arbeitete mit Fassbinder und Borowczyk und wurde in den Achtzigern zu einem wesentlichen Kollaborateur von Christoph Schlingensiefs disruptivem Exzess-Kino: Wo Kier war, lockte die Ekstase. Im Gegensatz zum gleichaltrigen Helmut Berger verlor Udo Kier nie die Kontrolle über seine Karriere.
In den frühen Neunzigern passierten gleich zwei kreative Initialzündungen: Einerseits drehte Udo Kier zum ersten Mal mit Lars von Trier, in dessen Filmen er fortan immer wieder auftreten wird. Andererseits gelang ihm mit Gus van Sants MY OWN PRIVATE IDAHO der Sprung nach Hollywood, wo er seither, häufig in Klein- und Nebenrollen, selbst die glattesten, fabriksfertigsten Filme mit Charakter und Persönlichkeit aufpoliert. Udo Kier erscheint wie vom Kino erfunden, fürs Kino gemacht: Kunst und Kommerz, Schund und Autorenfilm, gleiche Liebe für alles. Udo, wir lieben dich!